Im Schatten der Führungskräfte – Prozessoptimierung braucht Alltag

„Aha, sie wollen dabei sein, mitlaufen. Mit mir? Den ganzen Tag? Okay .…“, sagt er gedehnt. Die Führungskraft schaut mich ein wenig ungläubig an. Auch etwas ungehalten. Der Gedanke, mich einen ganzen Tag als Schatten dabei zu haben, ist ihr sichtlich unangenehm.

„Ja, so mein Plan.“, antworte ich ihm gelassen, ähnliche Situationen habe ich schon oft erlebt.

Dann huscht ein Lächeln über sein Gesicht und er meint (ein „Hihi!“ schwingt in seiner Stimme mit): „Um 6 geht es los!“ (Hihi!) – „Morgens um 6 starte ich!“

„Klar!“, sage ich, „Aber ich bin schon etwas früher da, Sie müssen mich ja vorne an der um die Zeit noch unbesetzten Pforte abholen.“

Werden meine Mitarbeiter und ich in ein Unternehmen gerufen und legen mit unserer Arbeit los, ist das häufig ein erster Überraschungsmoment: Wenn die Mitarbeiter – zum Beispiel wie hier die Führungskräfte – realisieren, dass wir in ihre Welt hineingehen. Zu ihren Zeiten … Das hat Methode: Denn ich weiß, wirkungsvolle Prozessoptimierung braucht Alltag.

In der Welt der Führungskräfte

Unternehmensberater haben so ein gewisses Image. Sie kommen und gehen zu – sagen wir mal – christlichen Zeiten, und vor allem: sie lassen die Menschen im Unternehmen zu ihnen kommen. Da hocken dann die Berater in einem von ihnen in Beschlag genommenen Besprechungsraum und die Mitarbeiter und Führungskräfte geben sich die Klinke in die Hand, um Fragen zu beantworten. Das hat was von einer päpstlichen Audienz.

Wir machen das anders, wir nehmen die Menschen nicht raus aus ihrem täglichen Tun.

Ich will die Welt der Mitarbeiter und Führungskräfte sehen, ihre Realität, ihren Alltag. Natürlich schauen wir uns die Zahlen an, die KPIs, klar. Schließlich bin ich ein Zahlen-, Daten-, Fakten-Mensch. Aber eben „der Mensch“ ist der Schlüssel zum Verständnis dieser Zahlen, Daten, Fakten. „Der Mensch“ ist der Dreh- und Angelpunkt für die Optimierung auch Ihrer Prozesse. Und deswegen führt mich mein Weg in Unternehmen in die Produktion, in den Betrieb, in den Alltag der Menschen, die für die Wertschöpfung verantwortlich sind.

Führungskräfte unter Beobachtung

Natürlich fühlen sich Mitarbeiter und Führungskräfte, wenn wir sie in ihrem Alltag begleiten, ein wenig überwacht. Und da spielen auch Ängste und Sorgen eine Rolle: „Ich weiß schon, was deren wahrer Auftrag ist … – uns auf die Finger zu schauen!“, „Und wenn da was Schlechtes bei rauskommt, dann war es das für mich.“, „Die wollen mich überprüfen und dann bin ich meinen Job los.“

In gewisser Weise stimmt das ja auch. Schließlich schauen wir bei dem, was sie tun, wie sie es tun, was sie in welcher Zeit tun oder lassen, genau hin. Wir beobachten und analysieren, wie effizient und effektiv sie arbeiten, wo sie Zeit und Ressourcen verschwenden, an welchen Stellen sie optimaler für die Wertschöpfung agieren könnten.

Aber nur dann, wenn allen Beteiligten klar ist, dass es eben keine Überwachung ist, was wir im Sinn haben. Dass es nicht um Kontrolle oder Restriktionen geht, nicht um ein „Wer!“, sondern um das „Warum?“, nicht um Schuld, sondern um Ursachen –  wir es also schaffen, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen: dann erreichen wir die beste Basis für beste Ergebnisse.

„Wenn was schief läuft, läuft halt was schief.“

Bevor wir also in die „Tuchfühlungsphase“ gehen, holen wir die Mitarbeiter und Führungskräfte im Vorfeld bei einem ausführlichen Gespräch ab. Dann sitzen wir alle zusammen, sie lernen mich samt Team kennen, und ich erkläre, um was es geht: Dass wir sehen wollen, wie ihr Alltag wirklich aussieht. Wie kommunizieren die Führungskräfte mit ihren Teams? Welche Entscheidungen treffen sie spontan? Was läuft gut, und wo fehlt es an Systematik?

Meine Bitte ist dann immer, sie sollen nichts schönen, nichts anders machen, als sonst, nichts herrichten. Etwas, was natürlich dennoch passiert, regelmäßig. Dann laufe ich mit der Führungskraft mit, merke zum Beispiel bei der Übergabe seiner Abteilung an die nächste Schicht, wie unruhig er wird, als er mir stolz die sorgfältig vorbereitete Übergabe zeigt „Machen Sie das sonst auch so?“, frage ich. Die ehrliche Antwort: „Naja, normalerweise eher nicht.“

Von größter Bedeutung ist, dass allen klar wird, es geht nicht um einen Test, sondern darum, echte Abläufe zu verbessern: „Wenn was schief läuft, läuft halt was schief. Kein Problem. Es geht ja nicht darum, die Personen zu bewerten, sondern es geht darum, den Prozess kennenzulernen.“

Ohne Vertrauen geht es nicht

Deswegen spreche ich auch mit den Entscheidern, die uns beauftragen, der Unternehmensleitung, damit ihnen klar ist, wie wichtig das Vertrauen ist, um die Prozesse zu verbessern. Wie wichtig es ist, dass mein Wort zählt: „Es darf auf keinen Fall so sein, dass eure Leute das Gefühl haben, der Weber ist da, es rollen Köpfe …“

Bisher hat das hervorragend funktioniert. Kein „Wer“ musste gehen – die entscheidenden „Warums“ konnten wir gemeinsam mit den Menschen in den Unternehmen finden, die wir als Schatten begleiteten, und so die Prozesse entscheidend verbessern.

Und was ich dabei regelmäßig erlebe, dass selbst die skeptischsten Mitarbeiter und Führungskräfte schnell die Vorteile für sich selbst erkennen, mich als Schatten dabei zu haben. Ein Schatten, der auch gerne mal ad hoc ein paar Tipps und Tricks weitergibt.

Einer, der zu Beginn wenig Lust auf die Begleitung hatte, der sich anfangs versucht hatte, zu verpieseln und sich einfach nicht blicken ließ, meinte später: „Das hätte ich mir so nie vorgestellt. Es war wirklich hilfreich.“

Prozessoptimierung braucht Alltag – und die Bereitschaft, auch mal um sechs Uhr morgens in der Werkshalle zu stehen.

Ihr Wilfried Weber

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