„Wie kann ich meine Materialkosten, meine Rohstoffkosten reduzieren?“ Das ist im Moment die häufigste Frage, mit der Kunden auf mich zukommen. Nicht nur die Lebensmittelindustrie betrifft es: Da legt sich zum Beispiel ein Schiff im Suez-Kanal quer und schon ist die Lieferkette für die unterschiedlichsten Waren, Produkte und Rohstoffe unterbrochen, die Materialien werden knapp – und was knapp wird, wird teuer.
Jetzt aber explodieren auch noch die Energiekosten und die Inflation treibt alle Preise zusätzlich in die Höhe. Die Herstellungskosten 1:1 umlegen auf den Endverbraucher aber geht nicht, da spielt der Handel nicht mit. Materialkosten zu reduzieren ist natürlich immer ein Thema für Unternehmen – jetzt aber wird es richtig dringlich.
Langsam, wenn’s schnell gehen muss
Was aber können Sie als Unternehmer tun, wenn ein Problem Ihnen auf den Nägeln brennt? Wovon ich in einer solchen Situation dringend abrate, sind Ad-hoc-Maßnahmen, die scheinbar schnelle Abhilfe schaffen. Oft genug lösen Sie damit nämlich ein Problem an einer Stelle, nur um an einer anderen Stelle im Herstellungsprozess ein neues Problem zu schaffen. Auch wenn es schwerfällt: Nehmen Sie sich Zeit für eine eingehende Analyse der Ausgangslage.
Wie sieht zum Beispiel die Ist-Rezeptur im Vergleich zur Soll-Rezeptur aus? Ich habe das oft genug erlebt, dass sich die Ist-Rezeptur im Laufe der Jahre immer weiter von der Soll-Rezeptur entfernt hat, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Der Weizen aus der diesjährigen Ernte hat ein bisschen andere Eigenschaften als der aus dem Vorjahr, die Milch im März ist nicht dieselbe wie die aus dem November. Das ist so. Und darauf reagieren Sie mit einer leichten Veränderung der Rezeptur. Immer wieder aufs Neue. Und „plötzlich“ brauchen Sie für ein Produkt 20 Prozent mehr von einer Zutat, als eigentlich gedacht war.
Mein Tipp, um nicht in diese Falle zu tappen: Dokumentieren Sie auch noch die kleinste Veränderung in der Rezeptur. Dann können Sie nicht davon überrascht werden, dass Ist und Soll plötzlich auseinanderklaffen und sie über Jahre hinweg unnötig viel Geld für einen Rezeptbestandteil ausgeben, von dem Sie eigentlich gar nicht so viel benötigt hätten.
Das Ganze im Blick behalten
Eine andere Falle, die oft übersehen wird, nenne ich die „Hauptverursacher-Falle“. Wenn in einem Produktionsprozess Materialverluste oder andere Probleme auftauchen, hat das in der Regel mehrere Ursachen, die unterschiedlich großen Einfluss haben. Fast immer gibt es einen Hauptverursacher A. Sinnvollerweise setzen Sie bei dem an – aber bitte nicht nur bei ihm! Denn je mehr Sie sich darauf konzentrieren, Ursache A in den Griff bekommen, umso leichter haben es die Problemverursacher B und C, unbemerkt zum Hauptverursacher aufzusteigen.
Wenn Sie Materialkosten reduzieren wollen, kann ich Ihnen nur raten, langsam zu machen, gerade weil’s zur Zeit pressiert. Schnellschüsse helfen nicht oder nur kurz. Es geht immer darum, wirklich ausreichende Stichproben zu machen, sie eingehend zu analysieren, Zahlen, Daten, Fakten zu sammeln – bevor Sie in Ihrem Produktionsprozess etwas verändern.