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Warum Reklamationen auch etwas Gutes sein können

Was tun, wenn die Reklamationen sich häufen? Wenn das Brot, wenn der Käse, wenn der Schokoriegel nicht mehr so schmeckt, wie er soll? Wenn Sie aber nicht herausfinden, woran genau es liegt?

Es gibt natürlich hunderte von Einflussfaktoren und natürlich müssen Sie alle vom Anfang bis zum Ende des Produktionsprozesses genau prüfen und analysieren. Das ist Standard. Das tun wir immer, wenn wir in ein Unternehmen gerufen werden. Gern vergessen wird bei einer solchen Prüfung aber ein ganz bestimmter Einflussfaktor: der Mensch. Dazu hier ein kleines Beispiel, das ich so ähnlich erlebt habe und das zeigt, wie sehr das Menschlich-Allzumenschliche in die Qualitätssicherung hineinspielt.

Gnade vor Qualität?

Bei einem Pralinenhersteller gab es jeden Morgen um 8:00 Uhr eine Produktprüfung bzw. -verkostung. Dazu trafen sich der Werksleiter und jeweils ein Kollege aus der Qualitätssicherung und aus der Produktentwicklung. Der Werksleiter kam immer 15 Minuten vorher und begann schon mal mit der Verkostung. Und immer, wenn eine der Pralinensorten nicht so ganz hundertprozentig war, aß er alle Proben von dieser Sorte auf. Wenn dann die anderen beiden fragten, wo denn die Nuss-Nougat-Pralinen seien, sagte er: „Die waren so gut, die hab ich gleich alle verputzt.“ Warum er das tat? Um in Ruhe weiterproduzieren zu können, um sich nicht auf langwierige Fehlersuche machen zu müssen, bei der dann eventuell die Produktion stockt und er dadurch nicht auf die geforderten Stückzahlen kommt.

Dieser Werksleiter ist natürlich ein Extrembeispiel. Aber die anderen beiden waren selbstverständlich auch blauäugig oder wollten nicht so unhöflich sein, das Urteil ihres Kollegen in Frage zu stellen oder ihm gar böse Absichten zu unterstellen. Aber auch ganz ohne Vorsatz kann so etwas passieren. Wenn immer dieselben dasselbe Produkt prüfen, dann ist es ganz schwierig, schleichende Veränderungen wahrzunehmen – auch wenn die sich im Laufe der Zeit zu einem echten Reklamationsgrund aufsummieren. Was außerdem hinzukommt: Wer sein eigenes Produkt prüft, der ist schnell auch mal ein bisschen gnädiger in seinem Urteil bei kleinen Schwankungen.

Reklamationen sind der Blick von außen

Eine solche Produktblindheit kann sich leicht einschleichen. Wir sind alle nur Menschen. Reklamationen können da wie ein Weckruf sein, wie ein kritischer, unvoreingenommener Blick von außen. Aber natürlich sollten Sie auf einen solchen Weckruf nicht warten. Es gibt ja Möglichkeiten, wie Sie verhindern können, dass es so weit kommt. Zum Beispiel mit genau definierten und messbaren Produktanforderungen.

In denen steht dann nicht: Die Praline soll lecker sein. Sondern da steht dann zum Beispiel genau, wie hoch der Kakaoanteil in der Schokolade ist, wie viele Krokantsplitter enthalten und wie groß die sind. Vereinfacht gesagt. Und ganz wichtig: Jedes Detail in Ihrer Produktanforderung muss sich in Zahlen ausdrücken lassen und messbar sein. Und Ihre Produktanforderung darf keine Lücken aufweisen. Nur so haben Sie die Chance, nach einer Reklamation herauszufinden – oder noch besser natürlich: bevor es zu Reklamationen kommt –, wo und wie genau die ausgelieferte Praline von der perfekten Praline abweicht. Und was Sie tun müssen, um das zu ändern.

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