Komplettabsturz. Die Produktion in der Spätschicht gerät ins Stocken, die Maschine ist gestört. Ein Techniker muss eingreifen. Er geht an den Steuerungskasten, legt einen Schalter um, um in einem bestimmten, eng begrenzten Bereich der Maschine die Störung beheben zu können. Und legt damit die komplette Maschine lahm. Die gesamten Lebensmittel dieser Produktion sind damit für die Tonne. Ärgerlich. Und ein immenser Schaden für die Firma …
Am nächsten Tag in der Frühschicht tritt erneut eine Störung an besagter Maschine auf. Und der nächste Mitarbeiter versucht die Störung zu beheben – und legt denselben Schalter wie sein Kollege am Vortrag um: Komplettabsturz. Totalausfall. Und nochmal tonnenweise Rohstoffe, die aus der Maschine entfernt werden mussten. Für die Tonne.
Innerhalb von zwei Tagen wurde die gleiche Maschine durch den gleichen Vorgang lahmgelegt. Ein extrem teurer Stillstand für die Firma. Die Verantwortlichen waren am Boden … Und der Geschäftsführer wäre fast durch die Decke gegangen. Verständlicherweise.
Aber was war da passiert? Wie kann es sein, dass sich so etwas in so kurzer Zeit wiederholt? Und was können Sie aus diesem realen Fall für Ihr eigenes Fehlermanagement lernen?
Fehler passieren
Wo keine Fehler passieren, wird nicht gearbeitet. Aber: Jeder Fehler kostet – manche, wie dieser hier, tun richtig weh, weil sie so schmerzhaft teuer für die Firma sind. Fehler komplett zu vermeiden, wäre aber nicht der richtige Ansatz. Ich unterscheide gerne zwei Arten von Fehlern: Es gibt schlechte Fehler; Fehler, bei denen sich jeder an den Schädel fasst und sagt: „Meine Güte, wie doof! Mach’ doch die Augen auf!“ Fehler, die einen selbst ärgern bis zum Blauwerden. Das ist schlechtes Scheitern.
Dann gibt es aber auch Lernfehler. Das sind „gute“ Fehler, die sich zwar nicht vermeiden lassen – die aber ein gutes Scheitern sind. Die Sie mitunter machen müssen, um daraus zu lernen. Fehler, bei denen jeder hinterher sagt: „Donnerwetter, das hätte ich jetzt auch nicht vorher gewusst. Das hätten wir nicht herausgefunden, wenn wir es nicht ausprobiert hätten.“ In diese Fehlerkategorie fällt das eigentlich pflichtbewusste Umlegen des Schalters vom Techniker in der Spätschicht. Niemand konnte vorher ahnen, dass dieser Schalter die Maschine komplett lahmlegt. Dass dieser eine Schalter so teure Konsequenzen nach sich zieht.
Aber der zweite Fehler war ein schlechter Fehler – allerdings nicht vom Techniker der Frühschicht, sondern ein Fehler der Organisation im Unternehmen: Weil das Wissen eigentlich schon vorhanden war … nur von der Spät- über die Nacht- bis hin zur Frühschicht am nächsten Tag verloren ging.
Aus Fehlern lernen
Ein Verlust von zehn Tonnen Lebensmittel durch einen solchen Ausfall – erschütternd! Und genau deshalb eigentlich Anlass genug, diese Information weiterzugeben und zu speichern – und den gleichen Lernfehler so eben nicht noch einmal zu machen. Um den Schaden nicht noch zu verdoppeln.
Im Übrigen sollten Sie aus jeder Art von Fehlern lernen: sowohl aus Lulli- als auch aus Lernfehlern. In diesem Fall ein Lulli-Fehler im Unternehmen: keine vernünftige Fehlerdokumentation etabliert zu haben. Die Spätschicht hat den dramatischen Vorfall noch an die Nachtschicht weitergegeben – die Frühschicht hat davon aber gar nichts mehr mitbekommen. Deswegen war der Fehler aus Sicht des zweiten Technikers ebenfalls ein Lernfehler. Allerdings ein Fehler, den sich die gesamte Firma wortwörtlich hätte sparen können.
Es geht darum, aus Fehlern der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen. Durch ein gutes Fehlermonitoring. Durch eine saubere Übergabe. Ein einfacher Zettel an der Maschine oder dem Schalter „Nicht betätigen!“ hätte in diesem krassen Fall fürs Erste ja schon ausgereicht – und jede Menge Ärger, Zeit und Kosten gespart.
Wilfried Weber