„Welche Aufgaben und Themenstellungen sind Ihnen aus Ihren ersten Jahren als Unternehmer besonders in der Erinnerung geblieben?“
Aktuell arbeite ich an einer Chronik der Meilensteine und Gourmetstückchen aus 20 Jahren Pro Process. Da kam mir dieses Interview gerade recht, um mich geistig in die Anfänge meiner Unternehmerzeit zurückzukatapultieren.
Wenn Sie zurückdenken – welche Projekte kommen Ihnen da direkt in den Sinn?
Mir fielen zwei besonders spannende Projekt sofort ein: Bei dem einen ging es um einen 16dimensionalen Raum und um Preisvorhersagen. Davon möchte ich Ihnen in meinem nächsten Blog erzählen. Das andere Projekt hieß bei uns damals das „Win-Win-Win-Projekt“. Die Gründe für diesen Dreifach-Gewinn, die stehen für mich paradigmatisch für erfolgreiche Prozess- und damit auch Unternehmensentwicklung – und für ein besonderes Learning in den Anfangsjahren von Pro Process.
„Die wollen uns doch nur was verkaufen!“
Unser interner Name „Win-Win-Win-Projekt“ deutet es ja bereits an: Bei diesem Projekt waren drei Parteien an Bord. Zwei bedeutende Player in der Lebensmittelbranche und wir. Wir waren um Unterstützung gebeten worden, weil sie gemerkt hatten, dass sie mit einem gemeinsamen Projekt in unsichere Gewässer gerieten und sichergehen wollten, keinen Schiffbruch zu erleiden. Was war geschehen?
Unternehmen A produzierte erfolgreich ein bei vielen Kunden beliebtes Produkt. Unternehmen B konnte für diese sehr gute Produktionslinie eine neue Zutat liefern, welche die Produktion auf ein neues Level hieven würde: Unternehmen B versprach Unternehmen A eine noch bessere Rohstoffausbeute und eine wesentlich höhere Marge.
Sie kamen überein, ein Testlauf sollte zeigen, dass genau dieses Versprechen auch eingehalten wird – und der Preis den Unternehmen B für seine Neuerung abrief, gerechtfertigt war. Unternehmen B würde für diesen Testlauf sogar die Kosten übernehmen.
Und genau an diesem Punkt wurde beiden Playern klar, dass die vor ihnen liegende Aufgabe komplexer war und mehr Unsicherheiten mit sich bringen könnte, als zunächst gedacht. Zum Glück wurde es ihnen klar, bevor größere Probleme entstanden. Denn so happy Unternehmen B damit war, die Leistungsfähigkeit des eigenen Produkts beweisen zu können, so unsicher fühlte sich Unternehmen A stellenweise mit Blick auf diesen Beweis: Unterschwellig war da eine gewisse Art von Misstrauen: „Die wollen uns doch etwas verkaufen! Können wir den Ergebnissen trauen? IST DAS SO, wie sie sagen?“ – und dies war der Zeitpunkt, an dem wir als „Third Party“ an Bord geholt wurden: Weil wir die beiden wichtigen Zutaten für eine erfolgreiche Zusammenarbeit liefern konnten.
Vertrauen ist gut, schnelle Kontrolle ist besser
Beide Unternehmen kannten Pro Process und wir hatten bereits erfolgreiche Projekte miteinander durchgeführt. Sie vertrauten aus Erfahrung unserem Können und sahen uns beide als unabhängigen Dritten an, dessen Urteil vertrauen können.
Also bauten wir eine Versuchsanordnung, um alle Parameter erfassen zu können, die sich auf das erwartete Ergebnis auswirken. Jedenfalls dachten wir, das wir alle Parameter im Blick hatten. Denn dann lief die Testproduktion an – und das Ergebnis war miserabel, lag um Längen unter unseren Erwartungen. Die versprochene Ausbeute durch das neue Produkt als ergänzende Zutat lag sogar noch unter der Ausbeute ohne diese spezielle Zutat.
Was war geschehen? Wir schauten uns die Zahlen genauer an. Und haben dann dank der rollierenden Analyse, mit der wir den Versuch begleiteten, gleich am zweiten Tag festgestellt, was los war. Wären wir anders vorgegangen – oder hätten uns Unternehmen A und B nicht mit ins Boot geholt, dann wäre mehr Zeit und Wertschöpfung den Bach runtergegangen. Unternehmen A hätte das Produkt von B nicht gekauft, weil es offensichtlich nicht hält, was es verspricht. Das Misstrauen wäre gerechtfertigt gewesen, die Zusammenarbeit der beiden Unternehmen auch in anderen Bereichen hätte nachhaltig gelitten …
Aber so konnten wir schnell feststellen, dass in einem vorgeschalteten Prozess des Unternehmens A Ausschuss produziert wurde, über den uns keine Daten geliefert worden waren und zu dem uns niemand informiert hatte.
Unser besonderes Learning bei diesem Auftrag: Vertrauen ist gut, ist die Basis für erfolgreiche Zusammenarbeit, aber Kontrolle anhand von eigenem Datenmaterial ist besser.
Anhand der Daten, die wir nun alle selbst systematisch für den Versuchsaufbau erhoben, überprüft und analysiert haben, haben wir dann objektiv bestätigt: Ja, was das Produkt von Unternehmen B verspricht, hält das, was Unternehmen A erwartet. Das durch Zahlen, Daten, Fakten gestützte Vertrauen in uns als neutralen „Schiedrichter“ brachte die beiden zusammen. Produkt gekauft. Produktion optimiert. Pro Process weiter etabliert. Alle haben gewonnen. Win-Win-Win.
Ihr Wilfried Weber