„Könnte das wieder passieren?“ – Neues von der Black-Box-Forensik

Irgendwo in Deutschland. Ich war in einem Kundenprojekt unterwegs, als mich sein Anruf erreichte. Wann ich verfügbar wäre? Er bräuchte uns. Dringend. Umgehend. „Können Sie sofort kommen?!“, so seine Frage, die vor lauter Adrenalin, das ihn geflutet hatte, mehr nach einer dringlichen Aufforderung klang.

Ich hatte in dem Unternehmen, in dem der Anrufer als leitende Führungskraft arbeitete, schon mehrere erfolgreiche Aufträge durchgeführt. Wir kannten uns. Dass er, um es mal so auszudrücken, „emotionalen Hochstand“ hatte, um nicht zu sagen, dass er angep…. war, ließ mich nicht kalt. Ich sagte ihm also für den gleichen Abend noch zu: Weil ich das Unternehmen, mit dem ich gut zusammengearbeitet hatte, nicht im Stich lassen wollte, weil mich als leidenschaftlichen Problemlöser und Spurensucher das akute Problem des Unternehmens ungemein reizte: Es ging um eine Charge mit unglaublich vielen Exemplaren, die fehlerhaft waren …  Es ging um eine sechsstellige Summe, die schon jetzt versenkt worden war. Vor allem aber ging es um die Frage: „Könnte das wieder passieren?“, weil das auf keinen Fall wieder passieren durfte.

Haben wir da noch mehr von?

Die Charge war mehrere Wochen zuvor produziert worden. Sie hatte die Qualitätssicherung durchlaufen („Alles okay! Entspricht dem Muster.“) und  war wie üblich eingelagert worden, bis der Versand anstand. Dies war nun der Fall gewesen. Enorm viele, sagen wir mal, damit Sie eine bessere Vorstellung davon bekommen, Gläser mit Eintopf, die nun an Kunden europaweit rausgehen sollten, damit die ihre geleerten Lager und Regale füllen können. Und dann bemerkt ein Mitarbeiter, dass da ein paar Exemplare einen Fehler haben. Und er gibt das weiter. Und die Frage kommt auf den Tisch: „Haben wir da noch mehr von der fehlerhaften Ware?“ – und die ganze Angelegenheit landet bei den verantwortlichen Führungskräften, die dann feststellen: „Oh ja, wir haben da nach sehr viel mehr von!“

In solchen Momenten, und die Stimme und Stimmung meines Anrufers sprach da Bände, wird oft sofort die „Wer-Frage“ gestellt: „Wer ist der Schuldige? Wer hat uns diese Suppe eingebrockt?“– aber meiner Einschätzung nach ist das eine Frage, mit der Sie den Problemen nicht wirklich auf den Grund gehen.

Wenn Sie sicher gehen wollen, dass ein Problem nicht noch einmal auftaucht, nicht schon wieder eine unertragbare Menge an Eintöpfen versenkt werden, dann durchleuchten Sie besser Ihren Prozess und fragen sich „Warum ist das passiert?“ Dann halten Sie sich lieber an die Black-Box-Forensik …

Black-Box und die Frage nach dem Warum

Die Praxis von Black-Boxen, die zuerst in der Luftfahrt etabliert wurde, steht für eine systematische Vorgehensweise bei der Suche nach der Beantwortung eines „Warums“. Ein detektivisches, analytisches Voranschreiten und Finden und Bewerten von Zahlen, Daten, Fakten. 

In heutigen Flugzeugen gibt es zwei Black Boxen: die eine, genannt Voice Recorder, dokumentiert die Kommunikation, die andere speichert die technischen Daten und Prozesse. Dies können Sie bei der Suche nach den Fehlern in einem Unternehmen übertragen. 

Was ich unter „Black-Box-Forensik“ verstehe und wir mit Pro Process vorantreiben, ist zum einen die Fehlersuche im Herstellungsprozess, die technologische Seite der Produktion. Zum anderen aber schauen wir auch, was in der Organisation passiert ist oder nicht, wie kommuniziert wurde oder nicht. Wir suchen im Verhalten einer Organisation, in der Kultur eines Unternehmens, den Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit und Kommunikation nach den Ursachen, warum etwas passiert ist und was passieren muss, damit es nicht noch einmal vorkommt. 

Ein Grund, warum es zum Eintopf-Gau kam, war der etablierte Umgang der Organisation mit Stresssituationen: Denn der Eintopf-Fehler war tatsächlich schon früher bei der Produktion bemerkt worden, die Herstellung hätte gestoppt werden müssen. Aber sie haben die Produktion nicht abgestellt, sie haben versucht zu improvisieren, weil das in der Organisation eben so gehandhabt wird.

Für mich eine Bestätigung, dass Sie erst dann sicher sein können, dass sich Probleme nicht wiederholen, wenn Sie beide Bereiche, Ihre technologischen Prozesse und wie Ihre Organisation tickt, berücksichtigen, um Ihre Antworten nach dem „Warum“ zu finden. Finden Sie diese Antworten nicht, finden Sie nur einen Schuldigen, dann „könnte das wieder passieren“, was Ihnen zu schaffen macht.

Ihr Wilfried Weber

Vorheriger Beitrag
EU-Exporte von Milchprodukten
Nächster Beitrag
GlobalDairyTrade-Tender

Abonnieren Sie unseren Blog!